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Fegefeuer
 
 
von Titus Vogt

Zum einen sagen wir, daß das Fegefeuer nirgends in der Heiligen Schrift gelehrt1 wird und demzufolge nach dem reformatorischen Prinzip "sola scriptura - allein die Schrift" unmöglich allgemeinverbindliche Lehre sein kann.

Der verständlicherweise aus katholischer Sicht immer wieder zitierte Text 2Makk 12,44-46 fällt ‚natürlich' aus evangelischer Sicht als Argument aus, da die Makkabäerbücher nicht zum Kanon der Heiligen Schrift gehören.

Auch der Text 1Kor 3,11-15 lehrt nicht nur nicht das Fegefeuer, sondern steht dem vielmehr eher entgegen. In diesem Text geht es um "Werke", die wir als Folge unserer Errettung als Christen tun, denn es sind "Werke", die auf dem allein möglichen "Grund", der "Jesus Christus" heißt, gebaut sind (Vers 11). Der "Tag wird es klar machen, weil er in Feuer geoffenbart wird" (Vers 13). Damit ist nichts anderes als der "Tag des Herrn", der "Tag des Gerichtes" gemeint. An diesem Tag wird sich zeigen, ob unsere Werke wirklich "gute Werke" waren, oder ob sie vor Gott keinen Bestand haben. Das "Feuer", nämlich das des Gerichtstages, wird es "erweisen" (Vers 13). Werden die Werke Bestand haben, wird es individuell unterschiedlichen und v.a. über die Errettung hinausgehenden "Lohn" geben (Vers 14). (Die Errettung selbst ist nicht der Lohn für unsere guten Werke!) Wenn die Werke sich aber als nichtig erweisen sollten, wird der Einzelne "Schaden leiden" (Vers 15; so Luther- und Elberfelder-Übersetzung), nämlich entsprechenden "Verlust" (so übersetzt die Einheitsübersetzung anstelle von "Schaden") von zusätzlichem "Lohn". An der Errettung ändert das aber ausdrücklich nichts, denn der betreffende Gläubige wird definitiv "gerettet, doch so wie durchs Feuer hindurch" (Vers 15). Besonders die ausdrückliche Formulierung "so wie" macht deutlich, daß der Christ eben gerade nicht buchstäblich durchs Feuer geht und an seinem Leib beispielsweise Schmerzen verspürt. Vielmehr macht Paulus mit dieser Formulierung deutlich, daß dies Christen sind, die sozusagen "mit Müh und Not" gerettet sind2. So erklärt uns gerade dieser Text, daß für einen Christen nach dem Gericht alles geklärt ist, er ist und bleibt gerettet, wenn auch vielleicht nur "wie durchs Feuer hindurch". Aber dies ist eben das Feuer des Gerichtstages, so daß dieser Text nicht im mindesten von einem wie auch immer gearteten Zustand nach dem Gericht spricht. Wenn einem Christen mangels Heiligung auf dieser Erde also noch die letztendliche Läuterung bei seinem Tode fehlen sollte, geschieht diese unmittelbar am Tage des Gerichts. Von daher gibt es also keinerlei Notwendigkeit für ein darüber hinausgehendes Fegefeuer.

Andererseits gibt es aber auch eine Reihe von biblische Texte, die mit positiven Aussagen die Lehre vom Fegefeuer unmöglich machen.

Zu nennen wäre beispielsweise der Schächer am Kreuz. Er bittet sozusagen in letzter Sekunde um Vergebung und hat daraufhin natürlich keine Chance mehr, als Ausgleich für die vielen Sünden seines Lebens gute Werke zu tun. Jesus verheißt ihm aber: "Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein" (Lk 23,43). Mit diesem Satz sprach Jesus dem reuigen Sünder vollständige Vergebung und Erlösung zu.

In Jesaja 53,5 wird verheißen: "Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt." Die Strafe für unsere Sünde hat also ganz grundsätzlich Christus am Kreuz getragen. Er hat uns dort von "aller Ungerechtigkeit gereinigt" (1Joh 1,9). Daß Christus dabei nur einen Teil der Strafe getragen hätte (die "ewige Strafe" bzw. die Schuld im eigentlichen Sinne, wobei der Gläubige die "zeitliche Strafe" selbst tragen müsse), läßt sich exegetisch nicht belegen. Man muß also fragen, inwiefern damit das Werk Jesu auf Golgatha eingeschränkt wird.

Die untrennbar mit der Lehre vom Fegefeuer verbundene Lehre vom Ablaß kann man ebensowenig unmittelbar von der Bibel her begründen, sondern muß dazu stark die Tradition bzw. die systematische Reflexion des Gesamtkonzeptes heranziehen. Der Gedanke, daß man durch bestimmte Gebete, Wallfahrten, Spenden an karitative Organisationen, Fasten o.ä. die Strafe von einzelnen Sünden gewissermaßen ‚geistlich aufarbeiten' könne, ist der Bibel völlig fremd. Und daß das sogar noch stellvertretend für andere Gläubige, ja sogar für bereits Verstorbene möglich sei, geht endgültig über die Schrift hinaus (vgl. 1Kor 4,6).

Das alles heißt ausdrücklich nicht, die persönliche Verantwortung für Sünde zu leugnen oder zu bagatellisieren, im Gegenteil. Von der Heiligen Schrift her ist uns ausdrücklich geboten, wenn irgend möglich Sünden zu bereinigen, Dinge wiedergutzumachen, also z.B. Lüge dem Belogenen gegenüber zu bekennen und richtigzustellen, Diebstahl zu bekennen und das Gestohlene (u.U. inkl. einer zusätzlichen Strafe) zurückzuerstatten (vgl. z.B. Mt 19,8 und die alttestamentlichen Parallelen). Um dieser Herausforderung biblischer Ethik zu begegnen, braucht es keine Lehre vom Fegefeuer und vom Ablaß. Umgekehrt könnten diese u.U. sogar kontraproduktiv sein, kann man doch mit verhältnismäßig einfachen Mitteln "Ablaß" bekommen3 - und umgeht damit u.U. die eigentliche Aufarbeitung der Sünden, wie sie Gott von uns möchte.


Fußnoten:

1 So schreibt z.B. der katholische Theologe Franz Josef Nocke: "Ein ausdrücklicher Schriftbeweis läßt sich für diese Lehre nicht führen." (Theodor Schneider [Hrsg.]. Handbuch der Dogmatik. 2 Bände. Patmos Verlag: Düsseldorf, 1992. Bd. 2, S. 465. Dieses Handbuch ist "aus katholischer Perspektive mit ökumenischer Sensibilität" geschrieben, so der Herausgeber im Vorwort [Bd. 1, S. XXIV].)

2 So Franz Josef Nocke in ebd., Bd. 2, S. 465

3 Vgl. die Liste "mögliche Werke der Buße und der Nächstenliebe", durch die man Ablaß erhalten konnte im vom Papst ausgerufenen Jubeljahr 2000 (www.kath.de/bistum/mainz/texte/ablass.htm):

  • "eine Wallfahrt zu einer Ablasskirche
  • sich wenigstens einen Tag lang überflüssigen Konsums enthalten (nicht rauchen, keine alkoholischen Getränke, fasten)
  • eine angemessene Geldsumme den Armen oder Werken religiösen oder sozialen Charakters zuwenden, besonders zugunsten verwahrloster Kinder, in Schwierigkeiten geratener Jugendlicher, bedürftiger alter Menschen und Fremder
  • einen Teil der Freizeit sozialen Tätigkeiten zugunsten der Gemeinschaft widmen."