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von Titus Vogt
Man kann ganz allgemein sagen, daß uns die Bibel keine detaillierten Vorschriften macht, wie mit toten Menschen zu verfahren ist. Selbst die Bibel kennt unterschiedliche Formen der Bestattung. Das naheliegendste ist natürlich häufig die klassische Beerdigung, wo der Mensch also ganz buchstäblich ‚unter die Erde' kommt. Wir finden in der Bibel aber auch die Möglichkeit, Menschen in einer aus dem Felsen geschlagenen Grabeshöhle beizusetzen - wie bei Jesus. So wurden damals viele Menschen begraben, zumindest viele, die das entsprechende Geld hatten.
Es gibt nun im Alten Testament ein paar ganz entlegene Stellen, aus denen mancher abzuleiten versucht, daß die Verbrennung eines Leichnams als solche ein ganz widergöttlicher Vorgang sei.1 Davon sprechen diese Texte aber zunächst nicht. Man muß viele Schlußfolgerungen ziehen, um zu so einer Aussage zu kommen. Im übrigen gibt es auch zumindest ein gegenteiliges Beispiel. So wird von König Josia berichtet, daß er Knochen verbrannt habe (2Kön 23,16+20) - aber gerade er wird als ein König gekennzeichnet, der sich wie kein anderer an Gottes Gesetz hielt (2Kön 23,25). Rein von der Bibel her haben wir also Entscheidungsfreiheit, uns ist kein spezieller Ritus vorgeschrieben und keiner ausdrücklich verboten.
Nun kann es aber doch noch andere Gründe geben, warum man das eine vorzieht und das andere ablehnt. Die Kremation als solche ist schon eine sehr alte Bestattungsform und gab es auch schon in der Antike. In Zeiten der Christenverfolgung haben die Verfolger immer wieder die Leichname der Märtyrer verbrannt, um den Christen die Auferstehungshoffnung zu nehmen. Es ist biblisch gesehen natürlich Unsinn, zu glauben, daß Gott solche Menschen nicht wieder auferwecken könnte. Aber eine ganz ähnliche Motivation hat Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland dazu geführt, daß man die Kremation in der Neuzeit wieder eingeführt hat. (Das erste Krematorium überhaupt wurde in den 1870er Jahren in Gotha, in Thüringen gebaut und ist heute noch in Betrieb.) Damals waren es vor allem sogenannte "Freidenker", die ausdrücklich nichts mit dem christlichen Glauben und der damit verbundenen Auferstehungshoffnung zu tun haben wollten, die sich für die Kremation entschieden. Daher haben das später auch die Kommunisten übernommen. Weil dieses Vorgehen maßgeblich ideologisch begründet wurde, hat damals die Kirche ihren Pfarrern verboten, an einer Urnenbeisetzung mitzuwirken. Und das war damals sicher nicht unvernünftig. Heute kennen die wenigsten Menschen diese historischen Hintergründe und die allermeisten, die sich für Kremation entscheiden, tun das nicht aus diesen Gründen, sondern einfach aus pragmatischen Gründen (es ist z.B. kostengünstiger).
Unter normalen Umständen würde ich persönlich für eine normale Erdbestattung plädieren, aber ich kann von der Bibel her nicht sagen, daß das ein Gebot wäre oder Kremation als solche eine schlimme Sünde.
Fußnoten:
1 So bezieht man sich z.B. auf Amos 2,1. Wir wissen über die Hintergründe zu wenig, als daß wir uns hier ein sicheres Urteil bilden könnten. Aber egal wie diese aussehen, ist das eigentliche Problem doch, daß die Moabiter den König von Edom widerrechtlich umgebracht haben. Die Verbrennung der Knochen als ein viel höheres Verbrechen als den Mord an sich einzustufen, würde die biblische Ethik völlig auf den Kopf stellen.
Auch die Verweise auf Stellen, wo im Zuge der Todesstrafe der Leichnam verbrannt wurde, sind kaum stichhaltig, da keiner dieser Texte ausdrücklich Schlußfolgerungen bzgl. unseres Thema zieht.
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